Page 5 - ComputerWorks Magazin 2020-1
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Die Aufgabe für die öffentliche Hand und die Politik muss also sein, BIM-basierte Projekte stärker zu fördern und neue Planungsmethoden einzufordern. Denn sie sollten mit gutem Beispiel vorangehen. „Die Geschäftsführung lebt BIM vor. Nur so kann es funktionieren. Zukünftige Projekte werden nach der BIM-Methode geplant.“ – Tina Drahtler, Drahtler Architekten, Dortmund (D) VON DER PDF-EINREICHUNG ZUM BIM-BASIERTEN BAUANTRAG Hier gibt es bereits länderspezifische Pilotprojekte, die nun in der realen, breiten Anwendung umzusetzen sind. Jacqueline Tschida, Architektur und BIM-Trainerin aus Wien, verwies beispielsweise auf die Möglichkeit, den Bauantrag bei der Stadt Wien seit diesem Jahr digital einzureichen. Im nächsten Schritt setzt die Stadt Wien nun ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt auf, um den Nutzen und die tech- nischen Anforderungen von BIM, KI und AR im Baubehörd- lichen Verfahren zu prüfen. Österreich hat darüber hinaus seit mehreren Jahren einen eigenen Merkmalsserver online, der die Standardisierung und Vereinheitlichung der Parame- terstruktur einer BIM-Planung zum Ziel hat. „Ich glaube, dass eine große Unsicherheit herrscht, wenn es darum geht, den Weg klar zu sehen. Wir müssen akzeptieren, dass es viele Wege gibt, die – je nach Pro- jekt – eingeschlagen werden können und uns vermehrt den erfolgreichen Prozessen zuwenden.“ – Jacqueline Tschida, Architek- tur und BIM-Trainerin, Wien (AT) MERKMALSERVER ERFORDERN NATIONALE STANDARDS Marc Pancera, Architekt und Leiter BIM bei IttenBrechbühl Schweiz sieht in der Definition der technischen Standards eine große Aufgabe der nächsten Jahre. Er betont außerdem: die klassischen Leistungsphasen, nach denen sehr vergleichbar in Deutschland Österreich und der Schweiz bisher gearbeitet wird, greifen bei BIM nicht. Vielmehr muss zukünftig in Modu- len gedacht werden. Marc Pancera: „Man sollte die Leistungsphasen einmal komplett vergessen und sich fragen: Welche Entscheidungs- grundlagen müssen erarbeitet werden und welche Informa- tionen sind dafür in Modellen nötig, um meine BIM-Planung umzusetzen? Dann können diese Informationslieferungen zu Modulen zusammengefasst und auf der Zeitachse verteilt werden – Planung der Planung.“ Über diese pragmatische Denk- und Herangehensweise und die Optionen zur zeitnahen Implementierung der digitalen Planungsmethode herrschte allgemeiner Konsens in der Gruppe. Erklärtes Ziel in allen Ländern muss es sein, mög- lichst zügig eine maschinenlesbare Norm zu schaffen, die für Architekten, Fachplaner und Bauämter a) den BIM-Prozess konkret ausgestaltet und b) für die Bauämter eine schnelle und fehlerfreie Prüfung der Bauanträge ermöglicht. „Die großen Auftraggeber springen sehr rasch auf den Zug auf. Und wünschen sich: ‚Einmal BIM, bitte!‘ Dies ist leider zu ungenau. Es bietet sich aber die unglaubliche Chance für alle, sich im Klaren darüber zu werden: Was bedeutet denn BIM für uns konkret?“ – Marc Pancera, IttenBrechbühl, Basel (CH) MEHR ALS NUR EIN SIMPLES PDF Der Status des „Digitalen Bauantrags“ ist in Deutschland, Österreich und der Schweiz nahezu gleich: eine Einreichung in Form von PDF ist in verschiedenen Bundesländern und Kantonen bereits möglich. Aber: Die Wohnflächenberech- nung beispielsweise muss bei einer PDF-Einreichung noch immer händisch überprüft werden. Direkt aus dem Planungsmodell gezogen, würden diese Zahlen in wenigen Sekunden vorliegen. Dafür müssten bestimmte Modellattri- bute, die Geometrie zum Beispiel, in eine Prüfsoftware beim Bauamt überge- ben werden. Tina Drahtler von Drahtler Architekten aus Dortmund, arbeitet mit den Partnern planen-bauen 4.0, der Ruhruniversität Bochum, dem Land Nordrhein-Westfalen und der Stadt Hamburg an der Festlegung von konkreten Modellierungs-Richt- linien und Prüfregeln, die sinnvoll für einen BIM-basierten Bauantrag sind. Dazu wird der ISO-Standard 16739 (IFC) mit anderen Standards wie GML oder INSPIRE verknüpft und anschließend getestet, wie vollständig der Informationstransport möglich ist. Drahtler Architekten unterstützen diese Betrachtung mit dem Projekt „Ocean 21“, einem Büroneubau, mit Planung und Realisierung. Das Facility Management wird das Gebäudemodell im Anschluss ebenfalls nutzen. Tina Drahtler: „Das Projekt wurde auch ausgewählt, weil alle Fachplaner die BIM-Methode nutzen und es mit 10 Mio. EUR Bausumme nicht zu groß oder unüberschaubar ist, aber dennoch geometrisch anspruchsvoll. Am Projekt sollen Prüfregeln aufgestellt werden. Das mittelfristige Ziel ist es, eine Merk- malserver-Plattform zu errichten.“ KOLLABORATION IST UNERLÄSSLICH Ein erhellender Fakt, der im gut einstündigen Gespräch für einen längeren Diskurs sorgte: Fachplaner und Architekten kooperieren bisher viel zu selten. Das gilt gleichermaßen für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Eine kollaborative Arbeitsweise ist aber unerlässlich für einen zukünftigen Open BIM-Workflow. „Wir machen die ersten, ernsthaften Schritte mit BIM. Unser Glück ist, mit einem Projekt direkt in der Ausführungsphase zu starten und sofort in einem kollaborativen Planerteam zu arbeiten.“ – Patricia Fischer, Staufer Hasler Architekten, Frauenfeld (CH) Ohnehin herrschte Einigkeit darüber, dass in offenen Standards, in Open BIM, die Zukunft der Planung liegt. Marc Pancera von IttenBrechbühl: „Das angenehme an dieser Runde ist: wir kommen aus verschiedenen Ländern. Wir arbeiten mit dem gleichen BIM-Pla- nungswerkzeug, mit Vectorworks, und kennen dessen Anwendung. Dennoch: wir sind uns einig, über offene Standards mit unseren Partnern zu kommunizieren.“ Eine weitere, vertiefende Runde der erfolgreichen BIM-Talks ist bereits in Planung. Lesen Sie hier den kompletten Bericht zum BIM-Talk: 5 


































































































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