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Anwenderbericht Architektur: Bearth & Deplazes | Monte-Rosa-Hütte
Als Reminiszenz an traditionelle Berghütten nahmen die Ar- chitekten für die Innenausstattung lokale Tannen und Fichten, deren Gebrauch vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) geneh- migt wurde. Sie wollten die gesamte Konstruktion zeigen und drehten deshalb die großen, hellen Holzbalken zum Betrach- ter, was die Zapfen und Schwalbenschwanzverbindungen sichtbar machte. Da die Fügungen exponiert waren, musste ihre Gestaltung mit absoluter Präzision erfolgen.
„Bisher hat niemand das ästhetische Potential dieser schein- bar handwerklichen Fügung im digitalen Holzbau thematisiert,“ bemerkt Deplazes. Das Team verwendete einen computerge- steuerten Roboter, der die Jahresringe in das Holz schnitz- te, was eine Reminiszenz an ihre natürliche Holzstruktur und den typischen Baustil der Berghütten darstellt. Gleichzeitig wird aber auch ein gewisser Eindruck von „Pop Art“ erzeugt. Trotzdem hätte der Bauprozess nicht ohne traditionelle Hand- werksmethoden durchgeführt werden können, da der Standort außerhalb des Strom- und Wassernetzes lag.
Das Entwurfsteam achtete darauf, schadstoffarme Baumateri- alien auszuwählen, die sich leicht und effizient transportieren ließen und einmal wiederverwertet oder mit wenig Auswirkun- gen auf die Umwelt entsorgt werden können. Da es keinen Strom gab, um die Baumaterialien vor Ort herzustellen, muss- ten viele Komponenten vorgefertigt werden. Nachdem sie mehrere verschiedene Materialien getestet hatten, wählten Bearth&Deplazes Architekten ein konventionelles Dämmpa- ket, das aus einer Aluminiumverkleidung mit Mineralwolle- Dämmung und einer Dreischichtplatte besteht. Mit 30cm Dicke war dies die Wahl, die am effizientesten dämmte und deshalb die Wärmeanforderungen an das Energiemanage- ment-System verringerte.
Die Hütte setzt sich aus Wand- und Deckenelementen von nicht mehr als 400kg Gewicht zusammen, die von einem kleinen Hubschrauber auf die Baustelle transportiert wurden. Diese Transportweise wurde von den Studenten als die kos- teneffektivste und umweltfreundlichste gewählt. Während der gesamten Bauzeit benutzte das Team den Helikopter wie ei- nen Kran, um ungefähr 3000 Mal Material zur Baustelle zu befördern. Um das Gute-Wetter-Fenster auszunutzen, wurde das Gebäude zwischen Mai und September 2009 errichtet.
Eine fein austarierte, autarke Lösung
Die Idee war, ein nachhaltiges Gebäude als beispielhaftes Bauprojekt zu errichten. Die Bedingungen waren extrem: keine Elektrizität, kein Wasser und keine Wege und Straßen. Der fertige Bau musste autark sein und vor Ort genug Strom produzieren. Damit war er der perfekte Test für die Universität.
„Die Kombination von Forschung, Lehre und Praxis ist ein großes Interesse der Bearth & Deplazes Ar- chitekten. Die Zusammenarbeit von Bauphysik, Bau- stoffindustrie, Baukonstruktion und Baukultur führt zu einem architektonischen Resultat.“
Andrea Deplazes, Professor für Architektur und Konstruktion, Leiter ETH-Studio Monte Rosa, Departement Architektur, ETH Zürich sowie Bearth & Deplazes Architekten, Chur, Schweiz
Deplazes erklärt: „Es ist mehr als nur ein Gebäude, es ist ein Forschungsprojekt.“ Die Monte-Rosa-Hütte deckt ihren Was- serbedarf aus der Umgebung. Das Konstruktionsteam lies in den Fels einen unterirdischen Tank sprengen, der im Sommer 200 m3 Schmelzwasser sammelt. Der Tank befindet sich hinter einer Permafrost-Barriere, die verhindert, dass das Wasser nachts und im Winter wieder gefriert. Eine kleine Kläranlage bereitet Schmutzwasser als Abwasser für die Toiletten auf und hilft so, dreimal mehr Energie zu sparen, als die alte Hütte dafür verbrauchte.
Modernste Photovoltaik-Technologie erzeugt elektrischen Strom und heizt die thermischen Kollektoren. Zusätzlich strömt Sonnenlicht durch das große, durchgezogene Fens- terband in das spiralförmige Gebäude. In Zeiten andauern- der Bewölkung oder wenn der Bedarf höher ist, liefert eine Heizkraftanlage, in der Rapsöl verbrannt wird, den Strom. Die Monte-Rosa-Hütte hat aufgrund ihrer „hochgradigen, luftdich- ten Gebäudehülle und der ständigen Lufterneuerung im Ge- bäude durch Verwendung einer energieeffizienten Lüftungs- anlage“ das Minergie-P-Label des Schweizer Bundes und der Kantone verliehen bekommen.
Professor Andrea Deplazes erklärt an einem Modell der Monte-Rosa-Hütte den Grundriß mit zehn unregelmäßigen, polygonförmigen Segmenten.


































































































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